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Heute ist der erste Tag nach meiner Wanderung und mein K\u00f6rper zeigt mir wie sehr er sich an die Routine gew\u00f6hnt hat: Ich wollte l\u00e4nger schlafen, wache aber doch p\u00fcnktlich zwei Minuten vor 7:00 auf. Beim Fr\u00fchst\u00fcck ertappe ich mich dabei nach einem Vesperpaket fragen zu wollen. Meine Beine und F\u00fc\u00dfe sind ganz \u00fcberrascht, als ich zwar wieder die Wanderschuhe anziehe, aber keine Etappe auf sie wartet.<\/p>\n
Denn heute laufe ich nicht mehr los.<\/p>\n
Stattdessen verbringe ich einen entspannten Vormittag in Weil am Rhein und Basel, und verabschiede mich beim Fr\u00fchst\u00fcck von der Letzten meiner Mitwandererinnen, die ebenfalls in meinem Hotel untergebracht ist. Noch einmal lassen wir unsere Erlebnisse Revue passieren und unterhalten uns \u00fcber andere Mitwanderer und fragen uns wie es ihnen ergangen ist.<\/p>\n
Auch schmieden wir Pl\u00e4ne f\u00fcr die Zukunft. Jeder hat andere Ideen. Vielleicht eine Wanderung in den Alpen? Oder mit Schneeschuhen? Oder irgendwo in Meeresn\u00e4he, vielleicht Kreta oder Korsika? Eine Wanderung mit Blick auf das Meer. Das klingt unheimlich verlockend f\u00fcr mich.<\/p>\n
Wie ich mich f\u00fchle? Ein Mischung aus Wehmut, Stolz und Gelassenheit. Wehmut, weil der Weg und seine einzigartige Erfahrung zuende ist, Stolz, da ich es trotz aller Hindernisse geschafft habe die Tour zu beenden und eine Gelassenheit, die sich ganz tief in mir ausgebreitet hat. Ich hoffe sie bleibt mir eine Weile erhalten.<\/p>\n
Ich h\u00e4tte mir nie tr\u00e4umen lassen, dass ich innerhalb eines Tages so weit wandern w\u00fcrde, dass beim Zur\u00fcckblicken der Start im Dunst der Entfernung verschwindet. Buchst\u00e4blich „\u00fcber den Horizont und weiter“.<\/p>\n
Sp\u00e4ter im Zug ziehen nun die H\u00f6henz\u00fcge in wenigen Sekunden an mir vorbei, die ich mit so viel M\u00fchen bestiegen habe. Aber es sind keine unbekannten H\u00fcgel mehr, sondern gute, alte Bekannte geworden: Blauen, Belchen, Feldberg, Hornisgrinde. Ich kenne sie nun alle und ich kenne sie gut.<\/p>\n
Schwei\u00df habe ich auf ihnen gelassen und mich manches Mal gefragt warum ich das alles mache. Eine echte Antwort habe ich bis heute nicht gefunden, aber ich sp\u00fcre, dass es gut war.<\/p>\n
Wenn ich die Augen schlie\u00dfe rieche ich die Wildblumen der Hochmoore und sp\u00fcre die scharfkantigen Steine der Wanderwege unter meinen F\u00fc\u00dfen, ich f\u00fchle die hei\u00dfe Sonne auf meiner Haut und den kalten Wind in meinem Nacken. Doch ich erkenne auch, dass diese Eindr\u00fccke schon jetzt zu verblassen beginnen.<\/p>\n
Was mir auff\u00e4llt? Ich bin deutlich empfindlicher f\u00fcr die verschiedenen Ger\u00fcche geworden, die mich umgeben: Parf\u00fcmierte Menschen rieche ich schon aus gro\u00dfer Entfernung, am Bahnhof rieche ich den G\u00fcterzug, der impr\u00e4gnierte Holzschwellen geladen hat, noch bevor er richtig in den Bahnhof eingefahren ist und die Sonnenmilch, die ein Rentner aufgetragen hat der auf der Bank in einigen Metern Entfernung sitzt, nehme ich wahr als st\u00fcnde direkt er neben mir.<\/p>\n
Auch Entfernungen sch\u00e4tze ich anders ein. Wenn ich eine Anh\u00f6he sehe, dann berechne ich unbewusst, wie lange es dauert zu Fu\u00df bis oben hinaufzusteigen. Eine Wanderung von 20 Kilometern kam mir vorher als der Gipfel einer Tageswanderung vor, nun z\u00e4hlt eine solche Etappe zu den k\u00fcrzeren. \u00dcberhaupt beurteile ich eine Etappe kaum noch nach Entfernung, sondern eher nach \u00fcberwundenen H\u00f6henmetern und Zeitangaben.<\/p>\n
Auto und Bahn sind mir zu schnell geworden. Und zu oberfl\u00e4chlich. Ebenso die vielen Menschen, die hektisch ihren Aufgaben nachjagen. Wie wenig Zeit wir uns doch nehmen einfach mal stehen zu bleiben und den Augenblick wahrzunehmen. So eilt das Leben an uns vorbei und wir haben es gar nicht gesehen. Doch was ist eine WhatsApp-Nachricht verglichen mit einem handgeschriebenen Brief? Quantit\u00e4t zerst\u00f6rt die Qualit\u00e4t. Ich beginne zu verstehen, warum sich immer mehr Menschen leer und unbefriedigt f\u00fchlen, obwohl man heutzutage in wenigen Stunden an jeden Ort dieser Welt gelangen oder innerhalb von Sekunden jedem Menschen auf dieser Erde eine Information schicken kann.<\/p>\n
Meine Bilanz? Fast 300 Kilometer, fast 10.000 H\u00f6henmeter, 13 Etappen, vier Blasen, wundgescheuerte Schultern, schmerzende Fu\u00dfknochen, eine beginnende Sehnscheidenentz\u00fcndung in der Ferse, eine verlorene Zahnf\u00fcllung und die Erkenntnis, dass ich trotz Schmerzen und Widerst\u00e4nden in der Lage bin eine Aufgabe zu Ende zu bringen. Das schafft Selbstvertrauen und eine Selbstzufriedenheit, die mit Worten nicht zu beschreiben ist.<\/p>\n
K\u00f6rper und Geist haben eine neue Einheit gebildet. Der K\u00f6rper wei\u00df, dass der Verstand nicht Unm\u00f6gliches verlangt und der Geist hat gelernt, dass er dem K\u00f6rper Pausen und Erholung zugestehen muss. Beide haben erkannt, dass sie zusammen auch Aufgaben schaffen k\u00f6nnen, die anfangs als zu gro\u00df erscheinen.<\/p>\n
Was bleibt? Ich bin nicht sicher. Die Zeit wird es wohl zeigen. Ich will nicht zu viel erwarten. Genauso, wie ich zu Beginn meiner Wanderung nicht zu viele Erwartungen an meine Reise gestellt habe. Man darf sicherlich keine Wunder erhoffen. Der Weg heilt nicht „tiefe Wunden“ und ver\u00e4ndert auch nicht „von Grund auf“. Aber er hat mich definitiv beeindruckt.<\/p>\n
Was bleibt? Dankbarkeit!<\/p>\n
Danke Westweg!<\/p>\n
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